Als Nina Falkenstein am nächsten Morgen Frau Moospichlers Wohnung betrat, blieb sie wie angewurzelt stehen. „Das … das gibt’s doch nicht!“
Auf der Stange im Käfig saß, schaukelte, zwitscherte und begrüßte sie fröhlich, ein blauer Wellensittich. Horus! Er pickte vergnügt an seiner Hirse, schüttelte das Gefieder und blickte mit erwartungsvollen Knopfaugen in die Runde – als wäre nie etwas geschehen. „Er ist zurück!“ rief Frau Moospichler, die in Hausschuhen und mit Lockenwicklern herbeigeeilt kam. „Er ist einfach wieder da, als wär’ er nie weg gewesen! Mein lieber kleiner Horus!“ „Ja, das sehe ich“, murmelte Nina und trat näher. Der Vogel wirkte völlig unversehrt. Keine Feder fehlte, kein Anzeichen von Erschöpfung. Nur … irgendetwas war anders. Oder bildete sie sich das ein? Sie zog ihr Handy aus der Tasche.
„Kommissar Runde? Haha, ja, in der Tat – ich schon wieder. Sie sollten vielleicht … hm – kurz vorbeikommen.“ 
Am anderen Ende der Leitung folgte ein langes, gequältes Stöhnen. „Frau Falkenstein, ich stecke bis zum Hals in Arbeit! Wir haben hier einen internationalen Skandal, einen weltpolitischen Affron, eine stadtpolitische Katastrophe…“ Runde japste hörbar nach rundischer Haltung – „…der Smaragd der Mondfeen ist weg!“
„Der – öhm – was?“ Nina schüttelte den Kopf, hatte der Komissar jetzt schon morgens den Flachmann in Bearbeitung? „Ein uralter riesiger Edelstein aus dem Grab des Pharaos Chasechemui-Nebuihetepimef-Sitticham.“
„Sittich – am?“ wiederholte Nina betont langsam.
„Ich … jaja, ich weiß…“ Er räusperte sich und sagte so ruhig, wie es ihm möglich war: „Frau Falkenstein! Ich muss sie bitten, keine Wortspiele jetzt! Ich bin gleich da.“ Ein kurzes Knurren beendete eindeutig das Telefonat.
Zwanzig Minuten später stand Kommissar Runde im Wohnzimmer. Er sah ein wenig aus, als wäre er versehentlich in ein Strick- und Häkelkränzchen geraten.
„Da isser also“, brummte er, die Hände in die Manteltaschen geschoben. Horus flatterte aufgeregt, setzte sich auf die Schaukel und trällerte ein paar Töne.
„Sehen Sie!“, rief Frau Moospichler glückselig. „Mein Horus! Er ist wieder da!“
Runde verzog das Gesicht. „Wenn das die größten Verbrechen in dieser Stadt wären …“ Sein Handy klingelte. Er seufzte, nahm ab, lauschte – und seine Stirn legte sich in Falten. „Wie bitte? – Nein, der Alarm war an. Ja, ich bin 100%ig sicher. – Was? Ein zweiter Smaragd fehlt jetzt auch noch? – Na wunderbar. Nein, wirklich, ganz gaaanz gaaaaanz hervorragend!“
Er legte auf, nur um gleich wieder angerufen zu werden. „Runde. – Ja, ich weiß, die Presse tobt. – Nein, ich hab’ keine Zeit für Interviews! – Der ägyptische Diplomat? Er was? – … Wie bitte, er droht mit einem Fluch der Mondfeen? – Ach, genau D A S fehlte mir jetzt noch …“
Während der Kommissar versuchte, drei Anrufer gleichzeitig zu besänftigen, öffnete Frau Moospichler, hochgradig unbeeindruckt von jeglichen internationalen Skandalen, vorsichtig den Käfig. „Komm, mein Liebling.“ Horus flatterte hinaus, setzte sich auf ihren Finger – alles schien wieder wie früher. Bis zu dem Moment, in dem unser blauer Freund den Kopf schieflegte und sagte: „Küsschen, Küsschen – ich Heiko, Heiko lieb! Ich Heiko, Heiko lieb!“
Frau Moospichler erstarrte. „Was … hat er gesagt?“ „‚Heiko, glaub ich“, antwortete Nina.
„Aber ich kenne gar keinen Heiko!“ Frau Moospichler starrte empört ihren Horus an, als hätte der gerade in fließendem Alt-Ägyptisch den Fluch der Mondfeen rezitiert.
„Vielleicht“, murmelte Runde, der inzwischen das letzte Telefonat beendete, „kennt er ja einen Heiko. Oder er ist ein Wellensittich mit Identitätsproblemen.“
Nina starrte nachdenklich auf den Vogel, der zufrieden seine Hirse knabberte.
War das eben ein kaum hörbares Klicken in Höhe seiner Brust gewesen? Oder kam das Geräusch von Runde’s Telefon?
🕵️ Liebe Leser:innen!
Es wird immer merkwürdiger – oder?
- Warum ist Horus wirklich zurückgekehrt?
 • Wer ist „Heiko“ – und was steckt hinter diesem merkwürdigen Spruch?
 • Wie kann ein uralter Smaragd einfach verschwinden, obwohl das Alarmanlagen – Lasernetz aktiviert war?
 • Und was wird Kommissar Runde wohl zuerst verlieren – seine Geduld oder den Rest seines Nerventees?
Bleiben Sie dran – die Spur führt weiter … und sie wird immer glänzender! 💎🐦




